AWO...eine Legende lebt.

Straßenrennsport

Porträt der AWO - Werksfahrer (1955)
Hans Joachim SCHEEL
Wie hart und entsagungsvoll die Laufbahn eines Rennfahrers ist, zeigt sich wieder einmal am Beispiel unseres jüngsten DDR-Meisters. Schon seit einer ganzen Reihe von Jahren ist der junge APOLDAER mit dem Motorrennsport verwachsen, unzählige Male stand er am Start, bis er sich nach der 1954er Saison den Titel eines DDR-Meisters holen konnte. Dieser Erfolg wurde 1955wiederholt und erhöht, denn als Doppelmeister der 250er und 500er Soloklasse konnte er zwei goldene Kränze mit nach Hause nehmen. Als 18jähriger Autoschlosser begann der am 23.Juni 1933 geborene 1951 seine rennsportliche Laufbahn. 1952 kam er in die AWO-Versuchsabteilung und arbeitete mit an der Entwicklung der Rennsportmaschine. Seit dieser Zeit ist Jochen ein treuer AWO-Fahrer und sicherte dem SUHLER Werk bedeutende sportliche Erfolge.1955 ging sein Wunsch auf Doppelstart in Erfüllung, denn von Beginn der Saison an, brachte er neben seiner verkleideten AWO auch eine Federbett NORTON zum Einsatz. Hinter dem bescheidenen Wesen des jungen Studenten der Arbeiter- und Bauernfakultät in JENA verbirgt sich ein Kämpferherz außergewöhnlicher Prägung. Ein tragisches Geschick wollte es, dass Hans Joachim SCHEEL nach großer Freude über den Doppelerfolg gegenwärtig die schwersten Tage seines Lebens durchmachen muss. Bei den vor einigen Wochen erfolgten Nachwuchsprüfungen der EMW- Rennkollektivs überschlug sich der Motorradmeister mit einem Rennwagen auf der Eisenacher Autobahn und musste mit erheblichen Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert werden. wenn auch glücklicherweise keine Lebensgefahr mehr besteht, so wird die Ausheilung der komplizierten Oberschenkel- und Knieverletzungen noch lange Zeit in Anspruch nehmen.

Hans WEINERT
Als Offizier der Deutschen Volkspolizei ist er Angehöriger des ZSK Vorwärts. Seit Jahren gehört er zu den beständigsten Lizenzfahrern der 250er Klasse.1955 placierte er sich auf seiner AWO an 4. Stelle der Klasse A in der DDR -Meisterschaftswertung. Er ist ein ruhiger, bescheidener Motorsportler, der das Vertrauen seines Sportclubs in jeder Hinsicht rechtfertigt.
Werner ROSENBROCK
Volkspolizist, wie Weinert, Angehöriger des ZSK Vorwärts. Er rangiert in der Meisterschaftswertung 1955 in der Viertelliterklasse hinter Scheel und Fügner an 3. Stelle.
Er entwickelt sich von Jahr zu Jahr zu einem routinierten Fahrer.
Gottfried POHLAN
Er erregte die Aufmerksamkeit der EMW-Leute, als er sich auf einer "frisierten" BMW R 35 - mit selbstkonstruierter Fußschaltung - die ersten Sporen verdiente. Man nahm ihn in die Motorrad-Versuchsabteilung des Werkes, wo er sich eine500er Zweizylinder- Maschine herrichten durfte. Es klappte auf Anhieb: er wurde DDR- Meister 1954. Inzwischen hat der ausgezeichnete Fachhandwerker sein Domizil zu den AWO-Werken verlegt. Dort hat er noch größere Möglichkeiten, die Erfahrungen des Renn- und Leistungsprüfungssports auf die Serienfabrikation zu übertragen. Wenn wir ihn in Zukunft wahrscheinlich öfter bei Geländefahrten sehen werden, so schließt dies jedoch nicht aus, dass unserer DDR-Meister im Leistungsprüfungssport (250ccm) auch auf der Renn-AWO sein Heil versuchen wird. Der Wahl- Thüringer ist ein ausgesprochener Stilfahrer, und er ist stets für einen der vorderen Plätze gut.

EIGENBAUER bleiben ihrer Passion auch 1955 treu.
Manche wollen keine AWO, manche bekommen keine AWO, andere wollen mit ihren Eigenbauten schneller sein als eine AWO - dass betrifft nicht nur die
250erKlasse, sondern Eigenbauten gibt es in allen Kategorien. Doch die Viertelliterklasse ist zur Zeit die interessanteste und am stärksten besetzte Klasse.
Auch die meisten Eigenbauten finden wir hier. Die Rennsport- AWOs haben selbstverständlich die dominierende Stellung inne. Die guten alten OSL-Apparate wurden zurückgedrängt. Am gefährlichsten sind der AWO- Phalanx in der Lizenzklasse die NSU-MAX- Eigenbauten von Karl Heinz KIRCHNER aus Erfurt und Werner GRÜNWALD aus Zwickau. Während GRÜNWALD einen sehr niedrigen Rahmen mit Teleskop- Hinterrad- Federung und eine BMW- Teleskopvordergabel verwendet, benutzt der Erfurter seit dem Vorjahr einen selbstgebauten Federbett-Schwingrahmen. Als Vordergabel wird die sehr leichte Teleskopgabel der 150er CZ verwendet, die in der Abstimmung vorzüglich zum Schwingrahmen passt. Der große Kraftstoffbehälter ist aus Leichtmetall. Der frisierte MAX- Motor mit der bekannten Schubstangen- Steuerung der obenliegenden Nockenwelle wurde in der vergangenen Saison mit einem AMAL- Rennvergaser versehen. Bei einer Verdichtung von 9:1 und8300 U/min leistet der Motor etwa 23 PS. Seinem Prinzip, die Motoren nicht zu überzüchten, ist KIRCHNER auch im abgelaufenen Rennjahr treugeblieben. Dafür ist er in seiner siebenjährigen Rennfahrerlaufbahn auch sehr selten mit Motorschaden ausgefallen. Es gibt auch unter den DDR- Privatfahrern der 250er Klasse noch fanatische Anhänger des ZWEITAKTERS. Unerschütterlich halten sie an ihrer selbstgewählten Aufgabe fest, dem Rennzweitakter wieder eine führende Position zu erobern. Gerhard HOFFMANN aus Zwickau, der zur Zeiten der Kompressor- Sonderwertungstests eine Ladepumpen- DKW fuhr und sich in den letzten Jahren Versuchen mit einer 500er-Saugmotoren-Zweitakter widmete, experimentiert jetzt mit einem 250ccm HU- Eigenbau- Zweitakt- Zweizylindermotor, der in ein früheres DKW- RS- Fahrgestell - Doppelrohrrahmen, Teleskop- Hinterradfederung mit Hilfsgabel, Parallelogramm- Vordergabel, 21- und 20-Zoll-Räder, Vollnabenbremsen - gehängt wurde.
Der Plauener Josef KUTIL, der bereits früher schon durch seine schönen Eigenbaumaschinen auffiel, hat ebenfalls eine neue Zweitakter entwickelt. Ein mit Batteriezündung ausgestatteter Zweizylindermotor mit zwei Vergasern und kurzen Auspuffbirnen nach dem Vorbild der "singenden Säge" hängt in einem modernen, selbst konstruierten Wiegerahmen mit hinterer Federbein-Abstützung und Teleskop- Vordergabel. Die Hinterradbremse wird durch Seilzug betätigt. Bremstrommel und Kettenrad sind getrennt. Ein interessanter Apparat dieser Klasse ist auch die Viertaktmaschine mit der Bezeichnung OHC. Sie wurde bereits vor dem Kriege gebaut und in der Nachkriegszeit von den Erfurtern SCHOLLAIN und RAUSCHER weiterentwickelt. Sie ist eine echte Eigenbaumaschine, denn jedes Detail (Kurbelgehäuse, Schwungmassen,Pleuel, Kolben, Zylinder, Zylinderkopf, Rahmen, Tanks, Bremsen usw.) wurde von Hand gefertigt. Nach dem Vorbild der alten AJS-NOCKE wird die obenliegende Nockenwelle von einer Kette angetrieben, die in einem verrippten Leichtmetall- Kasten läuft. der Motor ist sehr schnell und konnte dem Fahrer bei einem Regenrennen zu einem Doppelsieg in der 250er und 350er Klasse verhelfen. Der Motor hat auch gegen moderner Maschinen heute noch Erfolgsaussichten.(K.H.EDLER beschreibt im 1. Februarheft von 1955 die bekanntesten Eigenbauten aller Motorrad- Klassen in der damaligen DDR. Hier wurden nur auszugsweise die 250er aufgeführt.)